Weiter zum Inhalt

Salto Wortale aus Hannover gewinnt ersten Platz beim Deutschen Lesepreis - Im Gespräch mit Julia Kronberg und Nina Weger

Julia Kronberg u. Nina Weger © Stiftung Lesen

Der Deutsche Lesepreis, eine Initiative der Stiftung Lesen und Commerzbank Stiftung, zeichnet jedes Jahr aufs Neue besondere Projekte, Maßnahmen und Personen in der Leseförderung aus. Am 07. März 2023 wurde er in Berlin zum zehnten Mal vergeben. Alle Preisträger:innen des Abends finden Sie hier. Das Literaturfestival Salto Wortale, eine Kooperation vom Kinderzirkus Giovanni e.V., Friedrich-Bödecker-Kreis e.V. Niedersachsen und der Landeshauptstadt Hannover, belegte den ersten Platz in der Kategorie herausragendes kommunales Engagement. Das diesjährige Festival findet vom 22. Mai bis 07. Juni 2023 statt - eine Anmeldung ist bis zum 01. April 2023 möglich.

Im Anschluss an die Preisverleihung trafen wir die Festivalleiterinnen Julia Kronberg (Geschäftsführerin Friedrich-Bödecker-Kreis e.V. Niedersachen) und Nina Weger (Vorsitzende Förderverein Kinderzirkus Giovanni e.V.) zum Gespräch.

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Lesepreis 2023 für herausragendes kommunales Engagement. Wir von der Akademie für Leseförderung Niedersachsen freuen uns natürlich auch sehr, dass ein regionales Projekt aus Hannover mit dem Deutschen Lesepreis honoriert wurde. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

N.W.: Die Auszeichnung ist für uns auf jeden Fall eine Bestätigung für all die Arbeit, die wir in dieses Projekt gesteckt haben. Was wir mit Salto Wortale auf die Beine gestellt haben, war etwas ganz Neues, wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten. Der Preis zeigt uns nun, dass wir mit unserem Projekt auf dem richtigen Weg sind.

J.K.: Es ist toll, diese Anerkennung zu bekommen, weil wir mit ganz vielen Einrichtungen und Institutionen in Hannover zusammenarbeiten und zeigen wollen, dass das Lesen und die Leseförderung mitten ins Leben gehören und in allen Lebensbereichen und über alle Grenzen hinweg ein Thema sein müssen. Das ist die Botschaft von Salto Wortale.

Am heutigen Abend haben wir gesehen, wie viele verschiedene Projekte für die Leseförderung es bundesweit gibt. Was macht denn das Projekt Salto Wortale so einzigartig?

N.W.: Für uns war von Anfang an entscheidend, dass wir das sinnerfassende Lesen in den Mittelpunkt stellen. Wir haben überlegt, wie wir die Tür zum Lesen für Kinder aufstoßen können, die keinen Kontakt zu Literatur haben, die nicht lesen und denen das Lesen große Mühe bereitet. Die Idee von Salto Wortale ist, dass die Kinder sich einen eigenen Zugang suchen. Die entscheiden sich ganz frei, unabhängig von Lehrkräften und dem Klassenverband, für einen Workshop und wie sie das Thema einer Geschichte vertiefen wollen. So wird jedem Kind ein individueller Zugang zu Literatur ermöglicht, den es aus einer Vielzahl an Möglichkeiten selbst bestimmen kann. Das gab es, glaube ich, vorher so noch nicht. Und genau diese Idee nach unseren Vorstellungen um- und durchzusetzen, hat zu Anfang einige Bemühungen gekostet.

Das Festival gibt es nun seit 2018 und es wird stetig von Ihnen weiterentwickelt. Was ist denn in diesem Jahr geplant?

J.K.: Genau, gegründet haben wir das Festival 2018, 2019 fand es wieder statt, dann gab es durch Corona zwei Jahre Pause. Letztes Jahr lautete unser Thema „Mensch, Tiere!“. In diesem Jahr steht das Festival unter dem Motto „Starke Gefühle“. Wir werden die ganze Bandbreite von schönen, schrecklichen und widersprüchlichen Gefühlen unter die Lupe nehmen und dazu einladen, sich über den Weg der Literatur mit ihnen auseinanderzusetzen. Es gibt wieder eine musikalische Lesung mit dem Orchester im Treppenhaus, Angebote für die Kita und den interdisziplinären Workshop-Tag zum Thema Glück für 3. und 4. Klassen. Neu sind zwei Schreibworkshop-Tage für 5./6. und 7./8. Klassen. Da bieten wir die Möglichkeit, sich den Gefühlen Liebe und Schmerz aus den vorgelesenen Geschichten auf unterschiedliche Weise zu nähern: zum Beispiel über Poesie, Illustration, Comiczeichnen, Poetry Slam, wissenschaftliches Schreiben oder klassisches Erzählen. Ganz viele tolle Workshop-Leiter:innen sind dabei wie die Illustratorin Jutta Bauer, der Autor Finn-Ole Heinrich, der aktuelle Preisträger des Josef Guggenmos-Preises für Kinderlyrik Nils Mohl oder die Autorinnen Nikola Huppertz, Lisa Krusche und Kathrin Lange aus Hannover und Hildesheim.

N.W.: Es ist uns auch immer ganz wichtig, dass wir Menschen als Workshop-Partner:innen finden, die für das, was sie tun, brennen, die das selber leben, also nicht jemanden, der einfach nur vermittelt. Wenn wir über Zoologie sprechen, dann mobilisieren wir jemanden aus dem Zoo, wenn wir über Tanz sprechen, dann Tänzer oder Tänzerinnen, um diese Begeisterung für ein Thema auch wirklich zu entfachen.

J.K.: Dieses Jahr haben wir uns bei der Programmgestaltung außerdem mit der Jugendbuchwoche Hannover zusammengeschlossen. Auch neu ist, dass Salto Wortale noch eine zweite Woche lang im Stadtteilzentrum Mühlenberg stattfindet. Dort bieten wir mit Bookslams und Workshops genauso niedrigschwellige Angebote für Schulen, aber auch öffentliche Veranstaltungen an, zu denen jede:r gehen kann. Es gibt eine große Buchausstellung mit mehr als 800 Neuerscheinungen, in der sicherlich jede:r etwas findet, was ihn interessiert.

N.W.: Wir möchten uns immer weiterentwickeln, wachsen und offen für neue Ideen sein, was das Projekt für uns auch spannender macht.

Salto Wortale richtet sich dieses Jahr erstmalig auch an Kita-Gruppen und Schüler*innen der Klassen 6-8: Ist das in diesem Jahr ein einmaliges Vorhaben?

N.W.: Nein, wir überlegen immer, wie wir möglichst viele Kinder erreichen können. Es ist wichtig, schon in der Kita mit Leseförderung zu beginnen, damit die Kinder bereits in jungen Jahren möglichst viele Worte und Ausdrucksmöglichkeiten kennenlernen, als Grundstein für die weitere Entwicklung. Darum wollten wir gern früh ansetzen. Genauso wichtig war uns aber auch, Jugendliche anzusprechen, die dabei sind, das Leseinteresse zu verlieren. Dieses Jahr ist also unser großer Versuch, mehr Altersgruppen zu erreichen. Wir gucken mal, wie wir im nächsten Jahr weitermachen.

Also könnten Sie sich auch vorstellen, in Zukunft noch mehr Altersgruppen, noch höhere Klassenstufen anzusprechen?

N.W.: Absolut. Das Ganze ist natürlich mit einem enormen Arbeitsaufwand und vor allen Dingen auch Kosten verbunden. Ich würde mir wünschen, dass die Städte, Kommunen, das Land und der Bund einfach viel, viel mehr Geld in die Leseförderung stecken, denn wenn Kinder und Jugendliche nicht lesen können, werden sie unkritisch, was sich auf unser aller Zukunft auswirken wird. Wir müssen ganz viel Personal und Material in die Leseförderung stecken und das kostet einfach einiges an Geld. Je mehr wir da tun können, umso besser ist es.

J.K. Auch wir stecken einen Großteil unserer Arbeitszeit in die Suche nach Fördergeldern, denn wir starten fast jedes Jahr wieder bei null. Dazu gehören das Stellen von Anträgen, die damit einhergehende Bürokratie, die ganze Abwicklung. Das Inhaltliche muss dann fast nebenherlaufen.

Um noch einmal auf das Festivalmotto „Starke Gefühle“ zurückzukommen. Wie haben Sie sich für dieses entschieden?

J.K.: Wir haben viele Themen im Kopf, auch für die nächsten Jahre. Dann recherchieren wir, welche literarischen Werke sich für das eignen, was wir vorhaben. Das Motto „Starke Gefühle“ hatten wir schon länger auf dem Radar. Am Ende kann aber ehrlich gesagt jedes Thema spannend gestaltet werden.

Zum Abschluss noch eine Frage: Gab es in Ihrer Kindheit/Jugend ein Buch, das bei Ihnen besonders starke Gefühle ausgelöst hat?

N.W.: „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren. Das war das Buch, was mich als Geschichte am meisten geprägt hat und bei mir den Wunsch ausgelöst hat, irgendwann selber Kindergeschichten zu schreiben. Bei Bilderbüchern ist es „Wo die wilden Kerle wohnen“, das kann ich heute noch auswendig.

J.K.: Bei mir gibt es nicht das eine Buch. Aber ich erinnere mich daran, wie die Bücher aussahen und sich angefühlt haben, die mich besonders beschäftigt haben. Und ich weiß noch genau, wie ich mich beim Lesen dieser Bücher gefühlt habe. Das ist mir sehr intensiv in Erinnerung geblieben.

Vielen Dank für das Gespräch!