Weiter zum Inhalt

Jungsfarben? Mädchenfarben? Nein Lieblingsfarben!

© Jungbrunnen

„Ich habe eine neue Freundin.“ Mit diesen Worten beginnt der auf der ersten Buchseite dargestellte namenlose Ich-Erzähler im Kindergartenalter die Geschichte. Die neue Freundin ist Pina: frech, forsch und ein bisschen verrückt. Kein Wunder, denn Pinas Eltern sind verrückte Künstler mit noch verrückteren Arbeitszeiten, zu denen sie nicht auf ihr verrücktes Kind aufpassen können. Also bleibt Pina zum Übernachten. Sie kommt mit einem rosa Nachthemd für ihren Freund und dem festen Vorsatz, dass ab heute Abend Disco angesagt ist! So bringt Papa am nächsten Morgen zwei sehr schöne Discotänzerinnen in den Kindergarten und sorgt damit für jede Menge Aufruhr: die Mutter bekommt fast einen sehr schönen Herzinfarkt, Papa gerät mit seinem Freund, dem Vater von Eddie in Streit, weil dieser das Disco-Outfit als albernen Fummel bezeichnet, und Frau Zwinger, die Erzieherin, sucht nach Wechselsachen, damit der Junge die „Verkleidung“ ausziehen kann. Nur Pina bleibt gelassen und fragt sich -Verkleidung hin oder her-, warum sich Frau Zwinger in enger Hose und noch engerem Pullover dann als Bratwurst verkleidet hat. In diesem witzig-spritzigen Ton wird die Geschichte fortgesponnen. Plötzlich steht die Frage im Raum, was „schwul“ bedeutet, wann man es ist und ob man es später mal werden möchte. Es geht um Jungs- und Mädchenfarben und darum, ob Mädchen am Ende vielleicht doch die besseren Fußballspielerinnen sind. Anstelle von Antworten stellt die Geschichte unvoreingenommene Fragen in den Raum, über die eher die Erwachsenen als die Kinder in Streit geraten. Denn die haben beschlossen, es mit den von Papa mitgebrachten Verkleidungssachen so bunt wie möglich zu treiben und bei Würstchen im Schlafrock (Wie passend!) weiter Disco zu machen. 

Im Buch werden die Geschehnisse aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur erzählt. Die Erzählweise ist zugleich kindlich-naiv und überraschend lebensklug. Durch den unvoreingenommenen Blick der Kinder werden festgefahrene Rollenklischees der Erwachsenen durch die unbedarfte Logik der kindlichen Gedankenwelt hinterfragt. Gerade diese Leichtigkeit macht den besonderen Charme der Erzählung aus: Sie nimmt sich nicht zu ernst und lässt Raum für humorvolle Beobachtungen. Der kindliche Ton wird dabei durchgehend authentisch getroffen, was die Geschichte glaubwürdig macht und erwachsene Leser:innen immer wieder schmunzeln lässt. Besonders gelungen sind die kindlichen Missverständnisse und Sprachspielereien, die auf humorvolle Weise die Intoleranz der Erwachsenen aufdecken. Ohne moralische Belehrungen und sehr kindgerecht führt die Erzählung vor Augen, wie absurd manche gesellschaftlichen Normen erscheinen, wenn man sie aus einer unschuldigen Perspektive eines Kindes betrachtet.

Die Geschichte wird in kurzen Textabschnitten erzählt, die vereinzelt durch hingekritzelte Sätze in Schreibschrift ergänzt werden. Diese Textgestaltung lädt dazu ein, beim Vorlesen innezuhalten und über das Erzählte und Dargestellte ins Gespräch zu kommen. Hierzu eignen sich auch die comicähnlichen, detailreichen Illustrationen. Insbesondere die Mimik und Gestik der dargestellten Personen kann als Gesprächsimpuls dienen.
Ein äußerst spritziges und kluges Buch, das zum Nachdenken und Hinterfragen von Rollenklischees anregt.

Frauke Angel, Julia Dürr: Disco! Wien: Jungbrunnen, 2020. Ab 4 Jahren