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Best Bro ever: eine empathische Geschichte über einen Transjungen

© Urachhaus

Die Sommerferien stehen vor der Tür. Doch statt in den Urlaub zu fahren, begleitet der elfjährige Måns seine Mutter für mehrere Wochen zu Tonaufnahmen nach Malmö. Für Måns ist dies eine großartige Möglichkeit, den festgefahrenen Einstellungen in seinem Umfeld zu entkommen. In Malmö kann er der sein, der er ist und sein will. Niemand kennt ihn und seine Vorgeschichte. Einziger Haken an der Sache ist, dass Mama findet, dass Måns nicht den ganzen Tag über allein sein kann und deswegen Nora, die Tochter eines Freundes, als „Babysitterin“ engagiert, was Måns gleichermaßen unnötig wie peinlich findet. Zum Glück lernt er direkt am ersten Tag Mikkel kennen: Mikkel, der genauso gerne Skateboard fährt wie er, der mit Tattoos übersät und einfach ein richtig cooler Typ ist. Die beiden werden in null Komma nichts beste Kumpel, treffen sich fast täglich, so dass Nora abgemeldet ist. Sie starten ein paar verrückte Aktionen und haben jede Menge Spaß miteinander, bis Mikkel zufällig Måns Reisepass im Bücherregal entdeckt. Das Passbild zeigt Måns - damals noch Michelle - mit langen Haaren und Haarspangen. Mikkel ist fassungslos und fühlt sich verraten. Wie kann es sein, dass Måns, den er zu seinem „Best Bro Ever“, zu seinem Blutsbruder, ernannt hat, ihm verschweigt, wer er eigentlich ist? Für Måns stellt sich die Situation anders dar. Abgesehen davon, dass er aus Angst vor Ablehnung mehrmals den richtigen Zeitpunkt für ein offenes Gespräch mit Mikkel verpasst hat, stellt er sich die Frage, ob er seinem Kumpel von der Person hätte erzählen müssen, die er ohnehin nie wirklich gewesen ist. Das Besondere an der Geschichte ist, dass die Transgender-Thematik erst ab der Mitte des Buches – nachdem Leser:innen unvoreingenommen alle wichtigen Personen der Handlung kennenlernen konnten – in den Fokus genommen wird. An diesem Punkt wird dann auch die Ursache für die Depression des Vaters und den Konflikt der Eltern untereinander deutlich. Da die Geschehnisse aus der Ich- Perspektive von Måns erzählt werden, lässt sich gut nachempfinden, welche Ängste sowie Schuld- und Schamgefühle ihn belasten und was die unterschiedlichen Reaktionen von Lehrer:innen, Mitschüler:innen und Verwandten mit ihm machen.

Trotz des ernsten Themas gelingt es der mehrfach preisgekrönten schwedischen Autorin Jenny Jägerfeld eine lockere und leichte (Sommer-)Geschichte zu erzählen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Hauptfigur Måns ein sehr sensibler, aber auch offener und schlagfertiger Typ ist, dessen genauer Blick für die Absurditäten einer geschlechtsspezifischen Erziehung Leser:innen immer wieder zum Schmunzeln bringt. 

„Best Bro Ever“ ist ein spannendes Buch, das sich aufgrund der vielen kurzen Kapitel zügig lesen lässt. Als Leser:in wünscht man sich am Ende der Geschichte, Måns auf dem vor ihm liegenden Weg weiter begleiten zu können und zu erfahren, wie er die nächsten Schritte, z. B. die geplante Hormontherapie, meistern wird. So lässt sich auf eine Fortsetzung der Geschichte hoffen.

Jenny Jägerfeld: Best Bro ever. Stuttgart: Urachhaus, 2023. Ab 11 Jahren.