Keke ist 9 Jahre alt und lebt zusammen mit dem Vater, dessen Freundin Inés, dem Altenpfleger Bente und der Studentin Dana in einer WG, hat dort ein eigenes Zimmer und genießt, an diesem Ort einfach Keke sein zu dürfen. Das Leben in der WG ist von gegenseitigem Verständnis, Offenheit und Toleranz geprägt. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Keke und damit aus Sichtweise eines genderneutralen Kindes. Die Leser:innen begleiten Keke durch den Tag, können teilhaben an Begegnungen und Erinnerungen und sehen die Welt durch Kekes neugierigen und unvoreingenommenen Blick. Auf diese Art und Weise gelingt es der Autorin, vielfältige Formen des Zusammenlebens (in Beziehungen) aufzugreifen und weitgehend neutral darzustellen. Dort gibt es z. B. die Eisdiele von Paolo und Andrea, zwei verheirateten Männern, deren Partnerschaft für Keke selbstverständlicher als für manchen Erwachsenen ist, aber auch das kindliche Unverständnis darüber, dass es im Eiscafé getrennte Toiletten für Männer und Frauen gibt. Das führt dazu, dass Keke nie so richtig weiß, welche Toilette die richtige ist. insbesondere nachdem ein Erwachsener das Kind „richtig doll angeschnauzt hatte, dass es auf der falschen Toilette sei. „So werden die Leser:innen auf behutsame Weise an das Thema „Genderneutralität“ herangeführt und für die Auseinandersetzung mit Fragen zur Geschlechteridentität sensibilisiert. Der sanfte Ton der Geschichte wird durch die farbigen Illustrationen, in zarten Orange- und Grüntönen aufgegriffen, die die Inhalte der Geschichte kindgerecht darstellen.
Erst zum Ende der Geschichte werden Kekes Fragen zur eigenen Geschlechtsidentität direkter. Neben dem Vater im Zelt liegend fragt Keke in das Dunkel und die Stille der Nacht: „Denkst du, wenn wir keine Menschen, sondern Zauberkraniche wären, dann wäre es ganz egal, ob man ein Junge, ein Mädchen oder ein Junge und ein Mädchen ist.“ Eine Frage, über die man mit Kindern ins Gespräch kommen kann, bevor man schaut, wie Kekes Vater sie beantwortet: „Keke, es ist ganz egal, dass du ein Mädchen und ein Junge bist, das sind nur zwei Worte, die nichts darüber aussagen, wer eine Person wirklich ist. Wer du bist und was du fühlst, das ist alles in dir drinnen.“
Insgesamt bietet das Buch über die Ich-Erzählerin Keke die Möglichkeit der Identifikation für alle Leser:innen, die ähnliche Gefühle, Zweifel und Fragen haben und sich nicht in eine Schublade stecken lassen wollen. Allerdings stellt sich an einigen Stellen der Geschichte auch die Frage, ob die aus Kekes Sicht dargestellten Eindrücke nicht eher Ausdruck einer Erwachsenenkritik an Gesellschaft und Zusammenleben als authentisches kindliches Erleben sind.
Klara Kaprell: Keke. Wien: Achse, 2022. Ab 9 Jahren.