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Abitur – und dann?

© Reprodukt

Andreas, Ben und Clara stehen kurz vor dem Abitur – und vor vielen Fragen, wie es danach weitergehen soll. Während der unternehmungslustige und bei allen beliebte Ben alles eher zuversichtlich auf sich zukommen lässt, verfolgt seine Freundin Clara zielstrebig ihre Zukunftspläne. Bens Kumpel Andreas, der sich seit einiger Zeit von ihm distanziert, wirkt hingegen weder zuversichtlich, noch zielstrebig, sondern niedergeschlagen und gereizt. So gehen die drei zunächst gemeinsam in ihr letztes Schuljahr, zunehmend meidet Andreas die beiden jedoch. Was Ben nicht merkt, ist, dass hinter Andreas‘ schroffer Zurückweisung eine große Verzweiflung steckt. Ben konzentriert sich zunehmend auf seine Freundin Clara, sie gelten als das perfekte Pärchen im Abijahrgang. Doch als Clara Ben nach den Prüfungen offenbart, dass sie einen Studienplatz im Ausland antreten wird, ist nicht klar, ob sie ihren Weg gemeinsam weitergehen werden.

Outline, englisch für Skizze, ist in weiten Teilen skizzenhaft gezeichnet: Die Panellinien sind wie von Hand gezogen, teilweise gibt es gar keine Begrenzungen, und die Zeichnungen ragen immer wieder über die Ränder hinaus. Ebenso verhält es sich mit den Figuren. Details sind nur dort zu sehen, wo sie wichtig sind. Auch beim Text scheint es anfangs, als wäre er bloß eine Skizze und noch nicht fertig. Seitenweise kommen die Zeichnungen ohne Text aus, eine Erzählstimme gibt es nicht und die Sprechblasen enthalten nur das nötigste. So müssen die Leser:innen einige Lücken in der Figurenrede und vor allem in den inneren Monologen selbst füllen und immer wieder ans Geschehen anpassen. Was Fischels dabei großartig gelingt, ist die Authentizität in den Unterhaltungen der jungen Erwachsenen: „Läuft bei euch, wa?“; „Siehste doch!“; „Ey, ey junge – mach mich stolz!“; „Ciao, Lutscher!“ – Und dazwischen, inmitten einer ansonst weißen Seite in kleiner Schrift, die essentielle Suche aller drei Protagonist:innen: „Da muss doch etwas sein, das mir Substanz gibt.“ Damit fängt Fischels perfekt das Gefühl ein, das viele junge Erwachsene am Ende der Schulzeit überkommt. Wie geht es weiter? Wohin will ich gehen? Was will ich machen? Muss ich mich jetzt für den Rest meines Lebens festlegen? Darauf hat am Ende Andreas eine Antwort, wenn er sich in seiner Abschlussrede an die Mitschüler:innen wendet: „Keine Angst, irgendwas werden wir in puncto Zukunft schon in Angriff nehmen. […] Und das machen wir dann so lange, bis wir wissen, was wir wirklich wollen.“ So verbindet sich in Outline beides: drei persönliche Geschichten voller Unsicherheiten und unklarer Zukunft, aber auch die Zuversicht auf einen neuen individuellen Lebensabschnitt, für den es nicht nur eine Gestaltungsmöglichkeit gibt, sondern viele.

Michèle Fischels: Outline. Berlin: Reprodukt 2024. Ab 16 Jahren.